Mentale Modelle sind ein Konzept der Wahrnehmungspsychologie und sind dort als Umsetzung eines Reizes in einen Zusammenhang beschrieben. Warum sie für die Gestaltung von digitalen Benutzeroberflächen eine zentrale Rolle spielen, will ich hier zumindest anreißen.
ÜBER SCHNELLES UND LANGSAMES DENKENDoch zunächst holen wir etwas aus und werfen einen kurzen Blick auf die Theorie von Daniel Kahnemann, der in seinem Buch mit gleichlautenden Titel die beiden Systeme "Schnelles Denken, langsames Denken" beschreibt. So ist das System 1 als das schnelle Denken definiert und bezieht sich prinzipiell auf alle Dinge, die wir unterbewusst wahrnehmen, verarbeiten und verstehen. Werden wir aus dieser Routine herausgerissen z.B. durch Dinge, die wir nicht kennen, auf Anhieb verstehen oder die zu komplex sind um sie sofort zu lösen, meldet System 1, dass es Unterst¨tzung benötigt und System 2 wird aktiv. Dieses System "denkt nach" und löst komplexe Aufgaben, hat aber den Nachteil, dass diese Prozesse Energie kosten, was mit Ermüdung, geringerer Effizienz und potentiell Frustration einhergeht. Für die Nutzung einer Software bedeutet das, dass wir den Nutzer solange wie möglich im System 1 halten sollten, um ihm eine möglichst angenehme Benutzererfahrung zu bescheren. Und er seine Energie für wichtige Problemlösungen spart.
Hier kommen die mentalen Modelle ins Spiel. Das menschliche Bewusstsein nimmt ständig Informationen auf und abstrahiert sie. So werden Objekte oder Prozesse als vereinfachte Modelle gespeichert, um sie schnell abrufen und mit neuen Informationen abgleichen zu können. Die Modelle können durch neue Erfahrungen geformt und verbessert werden, was als Lerneffekt bezeichnet wird. Ein mentales Modell beschreibt also wie ein Mensch ein Objekt oder einen Prozess gespeichert hat und damit auch, wie er es oder ihn kennt und verstanden hat und somit erwartet.
MENSCHEN VERSTEHEN HEISST MENTALE MODELLE VERSTEHENUm den Menschen wie oben beschrieben mit Dingen zu konfrontieren, die er kennt und versteht, muss man bei der Entwicklung eines Software-Konzeptes großen Fokus auf die Analyse der späteren Nutzer legen. Wichtig dabei zu wissen: Durch innovative Gestaltung des Konzeptes lassen sich auch falsche mentale Modelle korrigieren. Folgende Aspekte gilt es bei der Analyse zu betrachten:
1 — VISUALISIERUNG VON ENTITÄTENRegel Nr 1: Text adressiert keine mentalen Modelle. Text muss gelesen und verstanden werden. Formen, Farbe und Bewegung werden direkt verarbeitet. Bei Visualisierungen gilt es den Abstraktionsgrad passgenau zu wählen. Nicht viel lässt sich auf 16 mal 16 Pixeln abbilden, aber auch nicht immer benötigt man ein komplexes 3D-Modell. Gerade bei Icons kommt hinzu, dass die meisten gelernt sind. Will heißen, dass unter anderem Herkunft, Alter und Erfahrung mit EDV eine große Rolle beim Verständnis von Icons spielen.
2 — ABLAUF VON PROZESSENEs gibt entscheidende Unterschiede, wenn ich in Deutschland oder in den USA zum Tanken fahre. In Deutschland weiß ich was zu tun ist, in den USA bin ich verwirrt - Prepaid mit Kreditkarte oder fester Betrag an der Kasse, welchen Zapfhahn,…? Genau solche Handlungshemmungen gilt es in der Software zu verhindern, indem man analysiert, wie der Nutzer den Prozess kennengelernt hat und in welcher Reihenfolge Aktionen aufeinanderfolgen sollten.
3 — VERWENDUNG VON BEGRIFFLICHTKEITENJede Branche hat ihren ganz eigenen Fachjargon. Bildet man diesen nicht ab, fühlen sich alte Hasen der Branche nicht zuhause. Bildet man ihn ausschließlich ab, ermöglicht man neuen Nutzern keinen Zugang zum Fachgebiet und verwehrt ihnen eine niedrige Einstiegshürde. Es ist also Fingerspitzengefühl gefragt, wie man spezifische Begrifflichkeiten und gerade Abkürzungen verwendet.
Den Inhalt dieses Artikels habe ich so oder in ähnlicher Form bereits bei diversen Firmen und Veranstaltungen als Vortrag gehalten. Für weitere Informationen schreibt mir gerne eine Mail.
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